Kunden könnten selbst bestimmen, welche Stromqualität sie erhalten
Im Januar dieses Jahres hat die Bundesverwaltung dargelegt, wie sie das HKN-System der Schweiz weiter entwickeln möchte.[1] Kernstück der Weiterentwicklung ist die verpflichtende Verwendung aller Herkunftsnachweise. Demnach wäre es also nicht mehr erlaubt für den gesamten Stromendverbrauch Herkunftsnachweise zu besitzen und diese als nicht überprüfbar zu deklarieren oder gar z.B. Herkunftsnachweise aus Kernkraftwerken als nicht überprüfbar auszuweisen, weil die vorhandene unerwünschte Qualität in der Stromkennzeichnung unterdrückt werden soll. Dies könnte dazu führen, dass die Stromqualitäten welche mehr nachgefragt werden teurer würden und diese Kraftwerke dann entsprechende Zusatzeinnahmen aus den Herkunftsnachweisen generieren könnten. Da jedoch zurzeit immer noch genügend HKN aus weniger nachgefragten und daher auch günstigeren Qualitäten wie z.B. Kernenergie, vorhanden sind, können Endkunden selber steuern, welche Stromqualität sie zu welchem Preis beziehen wollen. Preissensitiven Endkunden, wie beispielsweise stromintensiven Unternehmen, bleibt alternativ offen, über den Kauf von sehr günstigen HKN aus nicht erneuerbaren Energieträgern sicherzustellen, dass der Strom nicht teurer wird.
Eine vollständige Deklarationspflicht liesse sich in verschiedenen Varianten ausgestalten. Die Pflicht könnte entweder den gesamten Stromverbrauch in der Schweiz einschliessen, wie zum Beispiel auch Bahnstrom, Netz- und Pumpverluste oder sich nur auf den Stromverbrauch durch Endkunden begrenzen. In den meisten Ländern werden bisher HKN nur für erneuerbare Energien ausgestellt. Damit zukünftig auch fossiler oder nuklearer Strom aus ausländischen Kraftwerken, für den keine Herkunftsnachweise verfügbar sind, deklariert werden kann, müsste eine entsprechende Ausnahmelösung geschaffen werden. Ausserdem wäre anstelle einer vollständigen Deklarationspflicht auch eine vereinfachte Variante denkbar, bei der Strom ohne Herkunftsnachweise (Graustrom), welcher z.B. an der Börse eingekauft wurde, zwar als solcher ausgewiesen werden darf, dessen durchschnittliche Zusammensetzung aber angegeben werden muss.
Im Folgenden zeigen wir auf, welche Chancen und welche Risiken die vollständige Deklaration der Stromherkunft mit sich bringen könnte:
Chancen:
- Erhöhte Transparenz über die Herkunft des gelieferten Stroms. Das Bilanzierungssystem von der Stromproduktion zum Stromverbrauch könnte somit lückenlos geschlossen werden. Es gäbe keine nicht überprüfbaren Energieträger mehr, die Endkunden hätten durch die aktive oder passive Wahl ihrer Stromherkunft einen Einfluss auf die Art der Stromproduktion.
- Administrative Vereinfachung. Die Voraussetzungen für eine automatisierte Stromkennzeichnung „auf Knopfdruck“ aus dem HKN-System wären dann gegeben. Die Stromkennzeichnung müsste somit nicht mehr auf manuell zusammengetragene Nachweise aus verschiedenen Quellen basieren, sondern könnte systemgestützt generiert werden.
- Betreiber von Kraftwerken mit einer stärker nachgefragten Stromqualität könnten über den Verkauf der Herkunftsnachweise zusätzliche Erlöse generieren.
- Des Weiteren würde ein Wegfall der „nicht überprüfbaren Energieträger“ es auch ermöglichen, die Informationspflicht abzuschaffen.
- Eine vollständige Deklarationspflicht würde dazu führen, dass der Handel und die Nachfrage nach Zertifikaten im Markt Schweiz steigen. Dies würde sich tendenziell auch positiv auf die HKN-Preise auswirken.
- Grössere Bindung des Stromverkaufs an die Zertifikate und dadurch höhere Nachfrage, Kundenbindung und Differenzierungsmöglichkeiten.
- Für kleinere EVUs könnte die Deklaration inklusive evtl. vollständige Beschaffung der benötigten HKN als Dienstleistung angeboten werden.
Risiken:
- Zusatzkosten für Stromkonsumenten, da sich diejenigen Stromverbraucher, welche heute Graustrom beziehen, zwingend mit HKN eindecken müssten. Diese Beschaffung führt zu Zusatzkosten, welche der Stromlieferant dem Endkunden weiterverrechnen wird. Da jedoch Herkunftsnachweise heute sehr günstig zu beschaffen sind, wäre dieser Effekt bei der aktuellen Marktsituation ein minimales Risiko.
- Zur Verhinderung von künstlicher Verknappung bei einer theoretischen Volldeklarationspflicht in ganz Europa oder auch zum Schutz von preissensitiven Endkunden könnte der sogenannte Residualmix angewendet werden. Gegen eine Abgabe von beispielsweise 0.02 Rp/kWh könnte dann statt einem HKN der Residualmix für die Stromkennzeichnung verwendet werden. Es gäbe dann nach wie vor keinen Graustrom mehr. Unternehmen, für welche die Beschaffung von HKN zu teuer wäre, könnten sich aber absichern, indem sie den Durchschnittsmix der übrig gebliebenen HKN verwenden (Residualmix).
- Zusätzliche marginale administrative Aufwände für Betreiber von Kraftwerken, Netzen und Bahnen da sie ihren Verbrauch im HKN-System anmelden und entsprechende Mengen an HKN beschaffen und entwerten müssten.
Bereits heute schon sind die Systeme und Prozesse zur Deklaration der Stromherkunft in der Schweiz gut etabliert. Mit einer verpflichtenden vollständigen Deklaration des an Endkunden gelieferten Stroms mit Herkunftsnachweisen würden die bestehenden Systeme und Prozesse lediglich sinnvoll weiterentwickelt werden und daher der internationalen Best Practice entsprechen.
Darüber hinaus würde der Vollzug einer Volldeklaration vereinfacht werden, eine erhöhte Transparenz geschaffen und letztlich dem besseren Funktionieren des Markts für Stromprodukte helfen. Die Stromkennzeichnung liesse sich zudem mit einer vollständigen Deklarationspflicht besser automatisieren und die Überprüfung könnte systemgestützt erfolgen. Zusätzliche Kosten für Endkunden, welche bisher Graustrom bezogen haben, könnten gering gehalten werden indem gemäss ihrem Stromverbrauch am Markt günstige Herkunftsnachweise beschafft werden. In der Summe birgt eine vollständige Deklarationspflicht mehr Chancen als Risiken. Nur wenn der Kunde erkennen kann, woher sein Strom stammt, kann er eine sinnvolle Wahl treffen und allfällige Präferenzen für Ökostrom zum Ausdruck bringen.
[1] Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 13.4182 von Ständerätin Verena Diener Lenz vom 12. Dezember 2013